Tempel der Weisheit

Das Geheimnis von Louisenlund von Peter Schraud

Ein Tempel der Weisheit

1774 wurde der dreigeschossige, achteckige Turm aus Holz auf einer doppelten Rampe errichtet. Auf deren Höhe war ein gewölbter Raum mit Mittelsäule als Logen-Versammlungsraum, in dem man feierlich durch ein ägyptisches Sandsteinportal eintrat. Darunter war der eigentliche Alchimistenkeller – dieser Raum ist heute zugeschüttet, während man in den ehemaligen Logenraum unter freiem Himmel hineinklettern kann. Ohne genauen Hinweis an Ort und Stelle wird man vielleicht gar nichts Bedeutsames erkennen können. 1795 wurde der Holzturm durch eine Ummantelung aus Kalkmörtel in einen Rundturm verwandelt, mit einer Anordnung von Fenstern nach freimaurerischer Symbolik. Dadurch bekam übrigens der Grundriss des Granitfundamentes die Form eines Skarabäus, mit den geschwungenen Rampen als Beinen. Diese Konstruktion war aber der nördlichen Witterung auf Dauer nicht gewachsen und wurde in den 1920er Jahren wegen Baufälligkeit abgebrochen. Das ägyptische Portal wurde 1964 an ganz anderer Stelle wieder aufgestellt, und zwar an der Ostwand des ehemaligen Marstalls, während es ursprünglich von Westen betreten wurde. Die mit Schlangen eigentlichen Torflügel sind verloren, so dass der heutige Betrachter keine leichte Aufgabe hat, das Gewollte im Geist zu rekonstruieren. Nur durch innere Konzentration und geistige Anstrengung wächst der Alchemistenturm mit dem Athanor [d.i. die Herdstelle der Alchimisten], an dem Graf Saint Germain die Umwandlung der Elemente bewältigte, darüber dem Logenraum und den drei ausgemalten Stockwerken des Holzturms empor, bis man hoch über Birken- und Buchenwipfeln einen freien Ausblick auf die von Segeln belebte Schlei – hätte!

Dieses innere Nachschaffen gilt für alle freimaurerischen Anlagen in Louisenlund. Man denke an den rechten Winkel, den die geraden Achsen „Lindenallee“ und „Promenade zur Louisensäule“ bilden, während die zweite Lindenallee Richtung Hof Louisenlund (früher Meierei) das Lot in diesem Dreieck angibt. Man nehme den versetzten Altarstein („Kubus“), der der Freimaurer-Initiation diente (heute legen Schüler ihre Pausentaschen drauf), und konfrontiere ihn mit einem keineswegs auffallenden Steinkegel, dem „Rauhen Stein“, aus dem durch beharrliche Selbsterziehung der zum Tempelbau geeignete „geglättete Stein“ geformt werden muss. Man stelle sich vor, wie der Prüfling bei bösem Wetter in der Abenddämmerung durch Waldwildnis stolpert, das Labyrinth bestehen muss, dem sich in seiner Hütte unerwartet aufrichtenden Einsiedler ins Auge zu sehen hat und auf schmalem Steg den dunklen, grandios scheinenden Teich „Spiegel der Seele“ überschreiten muss. Sowohl Labyrinth wie Einsiedler – eine Figur mit sinnreichem Mechanismus – und Steg sind verschwunden. Der Teich ist – verkleinert – geblieben. Unter besonderen Geheimhaltungsvorkehrungen Carls wurde unter dem Wasserspiegel eine künstliche Grotte angelegt, ein Weiheort für höhere Zeremonien. Von einer Pyramide und einer Bundeslade im Inneren ist die Rede. Das Überbleibsel einer Knotensäule auf dem idyllischen Friedhof des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg stärkt die Vermutung, dass diese Säule (Jachas = Stärke, zusammen mit der fehlenden Boas = Weisheit) zur Ausstattung der wenigen Schritte entfenten Grotte gehörte. Wen wundert’s, dass auch die Grotte nach dem 2. Weltkrieg vermauert wurde? Die Phantasie muss das Bild wiederherstellen, wie die Prüflinge vor einem mehr als 4 m hohen Wasserfall stehen, dessen Strom allerdings durch einen steinernen „Widder“ am nördlichen Teichrand umgelenkt werden konnte und den Eintritt in die rückwärts von Wasserfall liegende Grotte freigab. Könnte man diesen verwitterten Widder nicht noch tatsächlich betasten, wer würde es glauben?

Und doch muss man nur an die „Zauberflöte“ denken, einen unterirdischen Raum mit Pyramide, um die Stimmung am künstlichen Teich zu erfassen. Deshalb sei es aus szenischen Anweisungen des Freimaurers Emanuel Schikaneder zitiert (1791):

Das Theater verwandelte sich in das Gewölbe von Pyramiden „

(2,20)
Das Theater verwandelt sich in zwei große Berge; in dem einen ist ein Wasserfall, worin man Sausen und Brausen hört – wo das Wasser ist, liegt schwarzer Nebel. Die Szenen sind Felsen – Zwei schwarz geharnischte Männer führen Tamino herein – sie lesen ihm die transparente Schrift vor, welche auf einer Pyramide geschrieben steht. Diese Pyramide steht in der Mitte ganz in der Höhe.“
(2,28) Es folgt das Duett der beiden Geharnischten:

„Der, welcher wandert diese Straße voll Beschwerden / wird rein durch Feuer, Wasser / Luft und Erden / Wenn er des Todes Schrecken überwinden kann / Schwingt er sich aus der Erde himmelan / Erleuchtet wird er dann im Stande sein / Sich den Mysterien der Isis ganz zu weihn.“

Das Feuer muss man sich, ähnlich den Fackeln oder erleuchteten Pyramidenlampen der Oper, auch in der Louisenlunder Grotte anwesend denken, zumindest in den drei rituellen Kerzen. Da die Arbeiten an Grotte und Wasserfall, wie wir aus der Korrespondenz mit dem Freimaurer Hofsekretär Bohemann wissen, erst um 1800 begonnen und nach 1801 fortgeführt wurden, ist die konkrete Anregung durch Mozarts Zauberflöte jedenfalls nicht von der Hand zu weisen.

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