Graf Saint Germain in der Literatur – Schlusschor

Graf Saint Germain in der Literatur  Friedhard Radam

Schlußchor

 

Die Frage „Der Graf von Saint-Germain? Wer war denn das?“, – kann ich sie jetzt beantworten?

Mit knapper Auskunft immer noch nicht; ich kann immer noch nicht mehr mitteilen als: er war ein Mensch, von dem dies und das gesagt wird. Die Herkunft unbekannt, das Ende trotz allem leicht verschleiert; keine Kenntnis von seiner Muttersprache, eine Auswahl von 20 – 30 Namen; und eine rechte Profession läßt sich auch nicht angeben, jedenfalls nicht mit einer einzigen Vokabel.
 Wenn ich heute aufgefordert würde, nun endlich eine einigermaßen stichhaltige Eintragung für ein Universal-Lexikon zu verfassen, würde diese etwa so aussehen:


“Saint-Germain, Graf von (Pseudonym), vermutl. geb. 1696 Cluj (Klausenburg) oder 1700 Bayonne, gest. 1784 Eckernförde; umstrittene, aber wahrscheinl. adelige Herkunft; viel verkannte, verleumdete und m. anderen verwechselte Gestalt des 18. Jh. – (s. Saint-Germain, Claude-Louis), polyglotter Weltmann, Reisender, auch Diplomat i. geh. Mission; Chemotechniker (Farben und Mineralien) und „Alchimist“, Metallurge und Pharmakoloqe; Komponist (z.T. unter Pseudonym „Giovannini“) (Oper „Le Incostanza delusa“) und Violinvirtuose; u.U. Freimaurer/Rosenkreuzer; frühzeitiger Verfechter des Gedankens eines vereinigten Europa“.

Vom Standpunkt eines bürgerlichen Karrieredenkens aus könnte man Saint-Germains Dasein vielleicht sogar die Biographie eines Scheiterns nennen. Mußte er nicht ständig bei irgendwelchen hohen Herrschaften Unterschlupf suchen? Mußte er sich bei diesen nicht doch dann und wann „Zutritt verschaffen“ ehe sie ihn „einen der größten Weltweisen, der je gelebt hat“ nannten? Allzuviel scheint bei ihm Plan geblieben zu sein, auch wenn er daran nicht immer selbst die Schuld trug. Aber möglicherweise ist das alles nur ein Trugschluß, und es wird sich herausstellen, daß er ein großer Anreger war, dessen Zukunft noch nicht ganz eingetreten ist. –

War der sogenannte Graf von Saint-Germain ein Taschenspieler oder ein Halbgott? Die Frage ist nicht scherzhaft gemeint. Neben dem ganzen Rokokogesellschaftsklatsch ist auch ein Gedicht überliefert, das als Untertitel unter seinem bekanntesten Porträt zu finden ist:

„Ainsi que Promethee, il deroba le feu, Par qui le monde existe et par qui tout respire; La nature ä sa voix obeit et se meurt. S’il n’est pas Dieu lui-meme, un Dieu puissant l’inspire“

Nicht wenig. Aber damit noch nicht genug. Den an die Nüchternheit verbreitenden Äußerungen von Mme. De Genlis Gewöhnten trifft geradezu mit Wucht die Selbsteinschätzung, die Saint-Germain in einem Brief an den Grafen Alvensleben von sich gibt:

„Je tiens la nature dans mes mains et comme Dieu qui crea la monde, je puis moi aussi faire sortir du neant ce que je veux.“ ‚

Selbst wenn man ihm das abnimmt; war es nicht, nach Alexander von Lernet-Holenia

„bei ihm so wie bei uns allen, daß die moralische Existenz nicht immer mit der geistigen übereinstimmt?“

Ich kann das nicht entscheiden. Vielleicht war Saint-Germain dieser Zwiespalt aber auch ganz gleichgültig, und er hatte sich mit einem ganz anderen abzuplagen, dem Eduard Lenz Ausdruck verleiht:

‚
“Warum fand er überall erbitterten Widerstand? Er wäre der Welt sicherlich als Artist, Sprachenkenner, Wissenschaftler, Diplomat und Techniker willkommen gewesen. Sie hätte auch dem Mystiker und Träumer anderer Welten die Türen geöffnet. Aber daß er beides zusammen war, daß er wissenschaftlich-technische Kultur mit den Erfahrungen des höheren Daseins verband, das verziehen ihm die Mächte nicht so schnell. Darinnen liegt aber das Bedeutsame seiner Erscheinung. Wer den Mystiker in ihm suchte, fand den Chemiker. Und wer den Weltmann wollte, wurde vom Seher überrascht.“

Am Ende dieser Ausführungen kommt Lenz zu den Worten

„Er war bei vielen zu Gast, aber die Vielen kehrten nicht in seinem Wesen ein.“

rundgang-1Worin bestand dieses Wesen? Eine große Frage. „Saint-Germain muß wirklich die Fähigkeit gehabt haben, andere in ihm sehen zu lassen, was er wollte“

Wohlgemerkt: was er wollte

 

 

Redaktionell: 

Scan-Exemplar. Fußnoten aus techn. Gründen entfernt

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Cluj Klausenburg, Bayonne, Eckernförde, Giovannini, Mme. De Genlis, Graf Alvensleben, Alexander von Lernet-Holenia, Eduard Lenz,